Der Blick aus meinem Zugfenster wandert über niedersächsische Landschaften. Sie werden sich verändern. Die Deutsche Bahn plant eine neue Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Hamburg und Hannover. Ausgerechnet durch den Wahlkreis von SPD-Chef Lars Klingbeil soll die Trasse führen. Bahnfahren wird schneller, aber zu welchem Preis?
Der geplante Alpha-E-Ausbau der Bestandsstrecke wurde verworfen. Stattdessen setzt die Bahn auf einen kompletten Neubau. «Wir brauchen dringend mehr Kapazitäten im Schienennetz», erklärt Bahnvorstand Berthold Huber. Die neue Strecke soll die Fahrzeit zwischen den Metropolen auf unter 60 Minuten verkürzen. Betroffene Kommunen laufen jedoch Sturm. In Munster formiert sich bereits eine Bürgerinitiative. Letzte Woche stand ich dort auf einer Versammlung zwischen besorgten Anwohnern und wütenden Lokalpolitikern. Ihre Angst vor Lärm und Landschaftszerstörung war greifbar.
Klingbeil selbst navigiert vorsichtig durch die aufgeheizte Debatte. Er betont sowohl Klimaschutz als auch Bürgerinteressen. Bei meinem letzten Gespräch mit einer Landwirtin aus der Region saß die Verzweiflung tief: «Erst die Energiewende, jetzt die Bahntrasse – immer zahlt der ländliche Raum den Preis.»
Die Entscheidung steht sinnbildlich für unser Land im Wandel. Infrastrukturprojekte werden weiter für Konflikte sorgen. Zwischen Fortschritt und Bewahrung bleibt ein schmaler Grat. Während mein Zug weiterfährt, frage ich mich: Wie viele Heimaten darf der Fortschritt durchschneiden?