In Berlin wachsen die Radwege langsamer als geplant. Seit Jahresbeginn wurden lediglich 20,5 Kilometer neue Radinfrastruktur geschaffen – deutlich weniger als die von Verkehrssenatorin Ute Bonde angekündigten 50 Kilometer für 2024. Die Zahlen stammen aus einer aktuellen Bilanz der Verkehrsverwaltung.
Die fertigen Strecken verteilen sich unterschiedlich auf die Bezirke. Spandau führt mit 6,3 Kilometern, gefolgt von Lichtenberg mit 4,6 Kilometern. In Pankow wurden 2,5 Kilometer umgesetzt, in Mitte 2,3 Kilometer und in Neukölln 1,8 Kilometer. Die übrigen Bezirke liegen unter der Ein-Kilometer-Marke. In Friedrichshain-Kreuzberg, einst Vorreiter beim Radwegeausbau, wurden nur 0,2 Kilometer realisiert.
«Die Fertigstellungen verlaufen schleppender als erhofft», räumte eine Sprecherin der Verkehrsverwaltung ein. Verschiedene Faktoren verzögern den Ausbau. Besonders die Abstimmung mit Leitungsbetreibern und Versorgungsunternehmen nimmt viel Zeit in Anspruch. Auch Personalmangel in Bezirken und bei Baufirmen bremst die Umsetzung.
Die ADFC-Landesvorsitzende Saskia Ellenbeck kritisiert: «Berlin fällt beim Radwegebau immer weiter zurück. Während andere europäische Städte konsequent umbauen, stecken wir in langwierigen Planungsprozessen fest.»
Besonders umstritten ist die Qualität der neuen Wege. Viele der fertiggestellten Strecken sind lediglich mit Farbe markierte Schutzstreifen, die von Autos überfahren werden können. «Echte geschützte Radwege mit Pollern entstehen zu selten», bemängelt Ellenbeck.
Die Verkehrswende-Initiative «Changing Cities» fordert ein Umdenken: «Wir brauchen keine einzelnen Strecken, sondern ein zusammenhängendes Netz, das alle sicher nutzen können – vom Schulkind bis zur Seniorin.»
Verkehrssenatorin Bonde verweist auf Fortschritte trotz aller Schwierigkeiten. «Wir haben über 60 Kilometer in konkreter Planung und werden das Tempo erhöhen.» Für 2025 kündigt sie Verbesserungen an: «Wir vereinfachen Verfahren und stärken die Zusammenarbeit mit den Bezirken.»
Die Opposition im Abgeordnetenhaus sieht dennoch grundsätzliche Probleme. «Der Senat setzt falsche Prioritäten. Während für Straßensanierungen zusätzliche Millionen bereitstehen, fehlen für Radwege oft die Mittel», kritisiert die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen.
Für Alltagsradler wie Stefanie Weber aus Friedrichshain ist die Situation frustrierend: «Ich fahre jeden Tag zur Arbeit. An vielen Stellen fühle ich mich zwischen Autos eingeklemmt und unsicher. Die wenigen neuen Radwege sind Insellösungen.»
Das Mobilitätsgesetz von 2018 hatte eigentlich vorgesehen, dass Berlin jährlich mindestens 50 Kilometer geschützte Radwege schafft. Diese Zielmarke wurde bisher in keinem Jahr erreicht.
Immerhin gibt es für die kommenden Monate konkrete Projekte. In Charlottenburg soll die Kantstraße einen durchgehenden Radweg erhalten, in Kreuzberg wird die Skalitzer Straße umgestaltet. Ob das Ausbauziel für 2024 noch erreicht werden kann, scheint jedoch fraglich.