Die Ankunft von John Everett Millais› «Ophelia» im Museum Wiesbaden hat mich zutiefst berührt. Das ikonische Gemälde der Präraffaeliten gastiert bis zum 6. Oktober in Hessen. Ein seltenes Privileg, wenn man bedenkt, dass dieses Meisterwerk normalerweise die Tate Britain in London kaum verlässt.
Die tragische Shakespeare-Figur schwimmt zwischen üppiger Vegetation im Wasser – ein Bild von hypnotischer Kraft. «Dieses Werk verkörpert die Verschmelzung von Naturdetail und emotionaler Tiefe wie kein anderes dieser Epoche», erklärte Museumsdirektor Dr. Andreas Henning bei der Eröffnung. Beim Betrachten fiel mir auf, wie minutiös Millais jede Blume gemalt hat. Die botanische Genauigkeit ist verblüffend. Für die Darstellung saß Model Elizabeth Siddal angeblich stundenlang in einer Badewanne. Ich musste schmunzeln bei der Vorstellung, wie sie dort ausharrte, während Millais sie malte. Mein Besuch letzte Woche zeigte: Das Publikum steht oft still und versunken vor dem Bild.
Das Gemälde ist Teil der Ausstellung «Sehnsucht und Geheimnis», die britische Kunst des 19. Jahrhunderts zeigt. Die Leihgabe markiert eine wichtige kulturelle Verbindung zwischen Hessen und Großbritannien. In Zeiten, wo Europa wieder auseinanderzudriften droht, sind solche künstlerischen Brücken umso bedeutsamer. Manchmal sagt ein einzelnes Bild mehr über unsere gemeinsame Kultur als tausend politische Reden.