Als ich gestern Abend das Nationaltheater in München verließ, vibrierte noch immer die musikalische Kraft der neuen Oper «Penelope» in mir nach. Die Münchner Opernfestspiele eröffneten mit dieser lang erwarteten Premiere, die das antike Epos der Odyssee aus weiblicher Perspektive neu beleuchtet. Margarete Höhenrieder, die renommierte Pianistin, saß neben mir und flüsterte: «Eine Sternstunde der zeitgenössischen Opernkunst.»
Die Inszenierung besticht durch ihre beeindruckende Bildsprache. Die britische Sopranistin Sarah Tynan verkörpert Penelope mit einer Intensität, die unter die Haut geht. Ihre kristallklare Stimme trägt mühelos durch den Saal. Das minimalistische Bühnenbild verwandelt sich fließend zwischen den Szenen. Ein riesiges, wellenbewegtes Tuch symbolisiert das Meer, das Odysseus und Penelope trennt. Der Komponist hat traditionelle griechische Melodien mit modernen Klangstrukturen verwoben.
«Wir wollten die Wartende zur Handelnden machen,» erklärt Regisseur Calixto Bieito im Gespräch. Sein Ansatz funktioniert überzeugend. Die Oper stellt Penelopes innere Reise in den Mittelpunkt. Bei der Premiere spendete das Publikum über zehn Minuten stehenden Applaus. Selbst eingefleischte Traditionalisten zeigten sich begeistert von dieser Neuinterpretation.
Während ich durch die sommerliche Münchner Nacht nach Hause schlendere, denke ich über die Zeitlosigkeit dieser Geschichte nach. Die Münchner Opernfestspiele haben mit «Penelope» ein Werk geschaffen, das klassische Mythologie mit gegenwärtigen Fragen nach Selbstbestimmung verbindet. Ein kulturelles Highlight, das ich noch lange in Erinnerung behalten werde.