An meinem Schreibtisch stapeln sich die Nachrichten zur Pflegereform. Die Diskussion um den Pflegegrad 1 lässt mich nicht los. Etwa 780.000 Menschen in Deutschland sind betroffen. Sie erhalten derzeit Entlastungsleistungen von monatlich 125 Euro für Alltagshilfen oder Betreuung.
Die finanzielle Lage der Pflegekassen ist dramatisch. Das Defizit wird für dieses Jahr auf rund 4,5 Milliarden Euro geschätzt. Gesundheitsminister Karl Lauterbach steht unter Druck, Lösungen zu finden. «Die Stabilisierung der Pflegeversicherung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe», erklärte er kürzlich bei einer Pressekonferenz in Berlin.
Gestern besuchte ich meine Nachbarin Helga. Mit 78 Jahren lebt sie allein und nutzt die Pflegegrad-1-Leistungen für eine Haushaltshilfe. «Ohne die Unterstützung müsste ich mir vieles abschminken», sagte sie mir beim Kaffee. Ihre größte Sorge: Die Selbstständigkeit verlieren und auf ihre Kinder angewiesen sein.
Falls der Pflegegrad 1 tatsächlich wegfällt, müssten viele Betroffene Hilfen privat finanzieren. Oder sie warten, bis sich ihr Zustand verschlechtert und sie einen höheren Pflegegrad erreichen. Eine absurde Vorstellung.
Die Debatte zeigt unser gesellschaftliches Dilemma. Einerseits wollen wir Selbstständigkeit im Alter fördern. Andererseits fehlen die Mittel für präventive Ansätze. Am Ende könnte der vermeintliche Spareffekt durch höhere Folgekosten zunichte gemacht werden. Die Entscheidung steht noch aus – doch die Sorgenfalten sind bereits da.