Der Klassenraum schien plötzlich zu schrumpfen, als zwanzig Kinderstimmen gleichzeitig nach Aufmerksamkeit verlangten. Als Quereinsteigerin im Lehrberuf war ich auf vieles vorbereitet – aber nicht auf diese Intensität. Der Lehrkräftemangel an deutschen Grundschulen hat Tausende wie mich in die Klassenzimmer gespült, oft mit nur wenigen Wochen pädagogischer Vorbereitung.
Die Realität hinter verschlossenen Klassenzimmertüren ist ernüchternd. Zwischen Unterrichtsvorbereitung, Elterngesprächen und administrativen Aufgaben bleiben täglich kaum mehr als fünf Minuten für eine Tasse Kaffee. «Quereinsteiger werden oft ins kalte Wasser geworfen und müssen schwimmen lernen, während sie bereits unterrichten«, erklärt Bildungsexpertin Dr. Petra Mertens vom Deutschen Lehrerverband. Die Abbrecherquote liegt bei fast 30 Prozent im ersten Jahr. Letzte Woche brach ein Kollege mitten in der Konferenz in Tränen aus. Seine Klasse hatte ihn an den Rand der Erschöpfung gebracht.
Meine eigene Erfahrung gleicht einer emotionalen Achterbahnfahrt. Der leuchtende Blick eines Kindes, das endlich die Divisionsaufgabe versteht. Daneben die Hilflosigkeit, wenn ein verhaltensauffälliges Kind den Unterricht zum zwanzigsten Mal unterbricht. Die wachsende Forderung nach Digitalunterricht trifft auf Schulen mit instabilem WLAN und veralteten Geräten. «Wir müssen aufhören, Bildung nur zu verwalten und anfangen, sie zu gestalten», sagte Bildungsministerin Stark-Watzinger kürzlich in der Süddeutschen Zeitung.
Und doch: In all dem Chaos liegen wunderbare Momente verborgen. Die kleinen Fortschritte. Die unerwarteten Umarmungen. Die Erkenntnis, dass wir trotz aller Schwierigkeiten für diese Kinder oft die stabilste Konstante im Leben sind. Vielleicht liegt genau darin der tiefere Sinn dieses herausfordernden Berufs, den ich mir anders vorgestellt hatte, aber nicht mehr missen möchte.