In der Stuttgarter Staatsoper sorgt das neue Musiktheater «Der rote Wal» für Gesprächsstoff. Die Inszenierung setzt sich kritisch mit der Geschichte der Roten Armee Fraktion (RAF) auseinander. Etwa 800 Zuschauer verfolgten die gestrige Premiere im ausverkauften Kammertheater. Die Verbindung von Oper und Hip-Hop-Elementen zeigt sich als gewagtes Experiment in der traditionsbewussten Kulturszene der schwäbischen Landeshauptstadt.
Die Komponistin Anja Djordjevic und Regisseur Maximilian Berger haben ein Stück geschaffen, das klassische Opernformen mit zeitgenössischen Musikstilen verbindet. «Wir wollen keine Glorifizierung des Terrors, sondern eine Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Widersprüchen jener Zeit», erklärt Intendant Viktor Schoner. Die Hauptrolle übernimmt die Mezzosopranistin Sandra Janke, die zwischen Arien und Sprechgesang wechselt. Besonders die Rap-Einlagen der Stuttgarter Künstlerin Marie Denkinger sorgen für ungewohnte Klangfarben im Opernhaus. Am Kleinen Schlossplatz bemerkte ich vor der Aufführung lebhafte Diskussionen zwischen Jung und Alt über die künstlerische Auseinandersetzung mit diesem Kapitel deutscher Geschichte.
Die Inszenierung trifft einen Nerv in der Stuttgarter Kulturlandschaft. Noch bis Ende März sind fünf weitere Aufführungen geplant, für die bereits jetzt kaum noch Karten erhältlich sind. «Der rote Wal» beweist, dass auch heikle Themen ihren Platz in der Opernwelt finden können. Was als experimentelles Wagnis begann, könnte zum Vorbild für moderne Musiktheaterformen werden.