Der Herbst zeigt sich von seiner grauen Seite, während ich durch die Straßen Berlins laufe. Überall Plakate zur kommenden Wahl. Die Stimmung ist angespannt. Eine aktuelle Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung zeigt: Die Deutschen fürchten Rechtsextremismus mehr als Zuwanderung. Die Zahlen sind eindeutig – 67 Prozent der Befragten sehen im Erstarken rechter Kräfte eine ernsthafte Bedrohung für unsere Gesellschaft.
«Was wir erleben, ist eine Verschiebung im kollektiven Bewusstsein», erklärt Prof. Dr. Melanie Weißmann vom Institut für Demokratieforschung. «Nach Jahren der Migrationsdebatte rückt die Gefahr von rechts stärker ins Zentrum.» Besonders auffällig: Selbst in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit dominiert nicht mehr die Angst vor wirtschaftlichen Folgen der Zuwanderung. Stattdessen wächst die Sorge vor gesellschaftlicher Spaltung. Letzte Woche erlebte ich das bei einem Bürgerdialog in Dresden. Eine ältere Dame sagte mit zitternder Stimme: «Ich habe mehr Angst vor Nazis als vor Flüchtlingen.»
Die Umfrage zeigt regionale Unterschiede. In ostdeutschen Bundesländern bleibt die Skepsis gegenüber Migration höher. Doch selbst dort zeichnet sich ein Wandel ab. Politikexperten sehen darin ein Alarmsignal – und eine Chance zugleich.
Möglicherweise ist es ein Wendepunkt in unserem gesellschaftlichen Selbstverständnis. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben Spuren hinterlassen. Die Frage bleibt: Führt diese neue Bewusstseinslage zu mehr Dialog oder tieferen Gräben? Ich sehe beides täglich in meiner Arbeit als Journalistin.