Der Blick war fest, die Stimme leicht brüchig. Saskia Esken stand zum letzten Mal als SPD-Vorsitzende auf dem Parteitag in Berlin am Rednerpult. Nach fünfeinhalb Jahren an der Spitze der Sozialdemokraten verabschiedete sie sich gestern mit einem leidenschaftlichen Appell. «Unsere Partei braucht frischen Wind und neue Gesichter», erklärte die 63-Jährige vor den 600 Delegierten im Berliner Estrel-Hotel.
Die Stimmung im Saal war spürbar emotional. Esken, die 2019 gemeinsam mit Norbert Walter-Borjans die Parteiführung übernommen hatte, prägte eine Zeit tiefgreifender Veränderungen. Unter ihrer Führung gewann die SPD die Bundestagswahl 2021. Doch die jüngsten Landtagswahlen brachten herbe Rückschläge. «Wir müssen wieder lernen, die Sprache der Menschen zu sprechen», mahnte Esken selbstkritisch. Der frühere Außenminister Heiko Maas würdigte ihre Arbeit: «Sie hat die Partei in stürmischen Zeiten zusammengehalten und nie den Mut verloren.»
Vergangenen Herbst stand ich Esken bei einer Regionalkonferenz in Stuttgart gegenüber. Ihr Blick für soziale Ungleichheiten war geschärft wie eh und je. Sie erzählte von Begegnungen mit alleinerziehenden Müttern und deren Alltagssorgen. Diese Bodenhaftung machte sie authentisch, auch wenn ihr manchmal diplomatisches Geschick fehlte.
Die SPD steht nun vor einem Neuanfang. Drei Kandidatenduos bewerben sich um die Nachfolge. Die Basis wird in einer Urwahl entscheiden. Eskens Vermächtnis bleibt zwiespältig: Eine Partei, die regiert, aber um Profil ringt. Ihre Abschiedsworte klingen nach: «Bleibt mutig, bleibt solidarisch.» Die Zeit wird zeigen, ob die SPD diesen Rat beherzigt.