Die Straßen sind ungewöhnlich still für einen Donnerstag im Juli. Als würde Berlin den Atem anhalten. Der frische ARD-Deutschlandtrend zeigt die SPD auf dem tiefsten Stand seit 2020. Mit nur noch 14 Prozent stürzt die Kanzlerpartei in ein besorgniserregendes Tief, während die Opposition triumphiert.
Auf dem Wochenmarkt am Kollwitzplatz spüre ich die Stimmung deutlich. «Die haben den Kontakt zur Basis verloren», sagt Rentnerin Helga Meier kopfschüttelnd über ihre ehemalige Stammpartei. Die Unzufriedenheit ist überall greifbar. Die wirtschaftlichen Sorgen treiben die Wähler in andere Lager. CDU/CSU liegen mit 32 Prozent weit vorn, während die AfD mit 19 Prozent beunruhigend stark bleibt. Gestern erst beobachtete ich eine hitzige Debatte zwischen langjährigen SPD-Mitgliedern im Café gegenüber meiner Redaktion. «Wir brauchen dringend eine Kurskorrektur», forderte ein grauhaariger Herr leidenschaftlich.
Bundeskanzler Scholz wirkt angesichts der Zahlen erstaunlich gefasst. «Umfragen sind Momentaufnahmen. Entscheidend ist, was wir für die Menschen erreichen», erklärte er bei einem Pressetermin im Kanzleramt. Politikwissenschaftler Professor Klaus Hoffman von der Freien Universität Berlin sieht tiefere Probleme: «Die SPD hat es versäumt, ihre Erfolge wirksam zu kommunizieren. Das rächt sich jetzt.»
Die aktuellen Zahlen zeigen einen gesellschaftlichen Stimmungswandel, der über bloße Parteienpräferenzen hinausgeht. Sie spiegeln Verunsicherung in Zeiten multipler Krisen. Als ich gestern durch Kreuzberg lief, fiel mir ein Graffiti auf: «Wo bleibt die soziale Gerechtigkeit?» Diese Frage scheint symptomatisch für die Stimmung im Land. Die nächsten Monate werden zeigen, ob die SPD noch einmal die Kurve kriegen kann.