Die Kreuzberger Grünen haben Strafanzeige gegen Bundeskanzler Friedrich Merz erstattet. Auslöser waren dessen Aussagen über den Bezirk, die er während einer Regierungserklärung im Bundestag getätigt hatte. Merz hatte Kreuzberg als Negativbeispiel für eine verfehlte Stadtentwicklung angeführt. Nach Angaben der Bezirksverordnetenversammlung fühlen sich 73 Prozent der Kreuzberger durch diese Charakterisierung falsch dargestellt.
«Mit seinen Äußerungen hat der Kanzler unseren Bezirk und seine vielfältige Bevölkerung diskreditiert», erklärt Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann. Die Grünen werfen Merz vor, Kreuzberg als «Problemviertel» zu stigmatisieren und damit Vorurteile zu schüren. Experten sehen in solchen pauschalen Darstellungen eine gefährliche Vereinfachung. Der Soziologe Dr. Martin Weber betont: «Kreuzberg ist ein lebendiges Viertel mit funktionierenden Gemeinschaftsstrukturen trotz sozialer Herausforderungen.»
Als Kreuzbergerin beobachte ich täglich das bunte Zusammenleben verschiedener Kulturen und Lebensentwürfe. Die Menschen hier sind stolz auf ihren Kiez und seine Geschichte des zivilgesellschaftlichen Engagements. Die Grünen-Fraktion hat deshalb Anzeige wegen Volksverhetzung und Verleumdung gestellt.
Die Staatsanwaltschaft Berlin prüft nun den Fall. Rechtsexperten halten eine Verurteilung allerdings für unwahrscheinlich. Die Debatte zeigt die tiefe Kluft zwischen der Eigenwahrnehmung der Kreuzberger und dem Bild, das in der bundespolitischen Diskussion gezeichnet wird. Für die Zukunft wünschen sich viele Bewohner mehr Differenzierung statt politischer Instrumentalisierung ihres Viertels.