Der Blick auf die Straße erzählt mehr, als wir wahrhaben wollen. In Berlin, Hamburg oder Frankfurt sehe ich Menschen mit leerem Blick, die ihren Alltag zwischen Konsum und Beschaffung fristen. Virologe Hendrik Streeck mahnt nun: Die Drogenpolitik in Deutschland braucht dringend mehr Aufmerksamkeit und Reformen.
«Die Debatte über Drogen und Sucht ist kein Randthema», betont Streeck im Gespräch mit dem Stern. Der bekannte Wissenschaftler kennt das Thema aus seiner Arbeit mit HIV-Patienten. Besonders beunruhigend findet er den Anstieg synthetischer Drogen. Seit 2021 ist der Konsum von Crystal Meth um 20 Prozent gestiegen. Die Dunkelziffer dürfte noch höher liegen.
Vergangenen Sommer brachte ich eine Reportage über eine Drogenhilfeeinrichtung. Dort traf ich auf Menschen, die im bestehenden System durchs Raster fallen. Die Mitarbeiter kämpfen täglich gegen Unterfinanzierung und bürokratische Hürden. Viele Betroffene warten monatelang auf Therapieplätze.
Portugal zeigt seit Jahren, dass ein anderer Weg möglich ist. Dort wurde der Besitz kleiner Mengen entkriminalisiert und stattdessen in Prävention investiert. Die Zahl der Drogentoten sank drastisch. Auch in Deutschland fordert die Ampel-Koalition ähnliche Ansätze, doch der politische Prozess stockt.
Die Drogenpolitik spiegelt unseren gesellschaftlichen Umgang mit Schwächeren. Sie ist kein abstraktes Problem, sondern eine tägliche Realität auf unseren Straßen. Der Hilferuf der Experten wie Streeck sollte uns alle wachrütteln.