Es war ein stilles Aufatmen in der Gemeinschaft behinderter Menschen, als das Bundesverfassungsgericht kürzlich sein Urteil verkündete: Die Triage-Regelung, die Ärzte bei der Verteilung knapper Ressourcen anleiten soll, ist verfassungswidrig. Ich saß im Redaktionsbüro und las die Nachricht immer wieder. Die Gewissheit, dass menschliches Leben nicht gesetzlich gewichtet werden darf, bewegte mich zutiefst.
Die Karlsruher Richter urteilten einstimmig, dass das Gesetz von 2021 gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt. Es erlaubte Ärzten, die Erfolgsaussicht einer Behandlung als Kriterium heranzuziehen – was Menschen mit Behinderungen benachteiligen könnte. «Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dies gilt auch und gerade in Extremsituationen», betonte die Vorsitzende Richterin Doris König während der Urteilsverkündung.
Letzte Woche traf ich Paul, einen Aktivisten mit Trisomie 21. «Für uns ist dieses Urteil lebenswichtig«, sagte er mit fester Stimme. «Es geht um die Botschaft: Mein Leben ist gleich viel wert.» Seine Worte blieben hängen. Ich erinnerte mich an die Corona-Hochphase, als die Angst vor der Triage greifbar wurde. In Italien standen Ärzte bereits vor unmöglichen Entscheidungen.
Das Urteil verpflichtet den Gesetzgeber nun, bis März 2025 eine neue Regelung zu schaffen. Eine Aufgabe von existenzieller Bedeutung für unsere Gesellschaft. Denn wie wir mit den Schwächsten umgehen, definiert uns als Gemeinschaft – nicht nur in Krisenzeiten.