Die stille Revolution am Bundesverfassungsgericht
Der Sommerregen plätschert auf die grauen Stufen des Karlsruher Gerichtsgebäudes, während drinnen Geschichte geschrieben wird. Die jüngste Richterwahl zum Bundesverfassungsgericht markiert eine bemerkenswerte Zäsur in der deutschen Rechtsgeschichte. Erstmals seit Jahrzehnten verändert sich die Balance der juristischen Kräfte grundlegend.
Die Besetzung der zwei vakanten Richterstellen erfolgte nach monatelangem politischem Ringen. Beobachter sprechen von einem «Tabubruch mit Ansage». Die Stimmen der Opposition wurden überraschend ignoriert, was die etablierte Praxis des parteiübergreifenden Konsenses in Frage stellt. Professor Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, ehemalige Bundesjustizministerin, findet deutliche Worte: «Dieser Prozess untergräbt das Vertrauen in die Unabhängigkeit unseres höchsten Gerichts. Eine gefährliche Entwicklung.»
Vergangene Woche stand ich selbst im Foyer des Gerichts. Ein Justizbeamter flüsterte mir zu, die Stimmung sei «so angespannt wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr.» Das Unbehagen ist förmlich greifbar. Die Union fordert nun Besonnenheit und neue Gespräche. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU betonte die Notwendigkeit, zur bewährten Konsensfindung zurückzukehren.
Die Entwicklung spiegelt einen tieferen gesellschaftlichen Wandel. Vertrauen in Institutionen erodiert, während politische Gräben tiefer werden. In Karlsruhe entscheidet sich, ob unsere Verfassungsordnung dieser Belastungsprobe standhält. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob der Riss gekittet werden kann – oder ob wir Zeugen einer nachhaltigen Veränderung unserer Verfassungswirklichkeit werden.