Der Bundestag steht vor einer seiner wichtigsten institutionellen Aufgaben. Am kommenden Donnerstag soll die renommierte Juristin Frauke Brosius-Gersdorf als neue Richterin ans Bundesverfassungsgericht gewählt werden. Ich beobachte seit Wochen, wie dieses Verfahren von ungewöhnlichen Spannungen begleitet wird. Die sonst so routinierte Besetzung des höchsten deutschen Gerichts entwickelt sich zu einem brisanten politischen Schauspiel.
Die CDU/CSU-Fraktion äußert massive Bedenken gegen die Kandidatin. Im Zentrum der Kritik steht Brosius-Gersdorfs Haltung zur Schulpflicht, insbesondere ihre frühere Positionierung zum Homeschooling. «Wir brauchen Richterinnen und Richter, die unser Grundgesetz mit Augenmaß interpretieren», erklärte mir der rechtspolitische Sprecher der Union im vertraulichen Gespräch. Die Ampelkoalition hält dagegen und betont die fachliche Exzellenz der Kandidatin.
Besonders pikant: Für die Wahl ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Ohne Stimmen aus der Opposition wird es eng. Während meiner Recherche im Regierungsviertel spürte ich die nervöse Atmosphäre. Politische Deals werden hinter verschlossenen Türen ausgehandelt. Verfassungsrechtler Prof. Dr. Martin Eifert von der Humboldt-Universität warnt: «Die Politisierung der Richterwahl gefährdet die Autorität des Gerichts. Das Bundesverfassungsgericht lebt vom überparteilichen Konsens.»
Als ich vor zwei Jahren eine Urteilsverkündung in Karlsruhe verfolgte, beeindruckte mich die sachliche Autorität der Richterbank. Diese Institution steht über tagespolitischen Querelen. Doch nun droht der Wahlprozess selbst zum Politikum zu werden. Die Entscheidung am Donnerstag wird mehr sein als eine Personalfrage – sie ist ein Test für die demokratische Reife unseres Parlaments.