Die Frage der Unabhängigkeit: Wie politisch ist unser Verfassungsschutz?
Der Wind pfeift durch die Berliner Regierungsviertel, während sich die Debatte um den Verfassungsschutz weiter aufheizt. In meinem Büro stapeln sich die Pressemitteilungen. Die AfD wirft dem Inlandsgeheimdienst seit Jahren politische Instrumentalisierung vor. Besonders seit der Einstufung als «rechtsextremer Verdachtsfall» im Jahr 2021 und mehrerer Landesverbände als «gesichert rechtsextrem».
Die Faktenlage zeigt ein differenzierteres Bild. Der Verfassungsschutz arbeitet nach gesetzlichen Grundlagen und unterliegt parlamentarischer Kontrolle. «Unsere Einstufungen basieren auf jahrelanger Beobachtung und sorgfältiger rechtlicher Prüfung«, erklärte Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, bei einer Pressekonferenz im letzten Monat. Gerichte haben die Einstufung der AfD mehrfach bestätigt.
Vergangene Woche saß ich mit Professor Dr. Eckhard Jesse, Extremismusforscher, bei einem Kaffee. «Der Verfassungsschutz muss eine Balance finden zwischen Neutralitätsgebot und Verfassungsauftrag«, sagte er nachdenklich. «Politische Einflussnahme lässt sich nie ganz ausschließen, aber institutionelle Sicherungen existieren.»
Was oft übersehen wird: Auch unter konservativen Innenministern wurden linke Gruppierungen beobachtet. Die Einstufung erfolgt nach nachvollziehbaren Kriterien, nicht nach politischer Opportunität.
Die aktuelle Diskussion spiegelt das tiefe Misstrauen in staatliche Institutionen wider. In Zeiten der Polarisierung wird selbst der Hüter der Verfassung zum politischen Spielball. Eine gesunde Skepsis ist demokratisch wertvoll – pauschale Delegitimierung dagegen gefährlich. Die Wahrheit liegt, wie so oft, in den Details der rechtsstaatlichen Praxis.