Die dunkle Seite der Straße, die niemand sehen will. Ich stehe am Eingang eines unscheinbaren Wohnhauses in Berlin-Neukölln. Hier hat Maria* drei Jahre gelebt – gefangen in einem Kreislauf aus Gewalt, Drohungen und erzwungener Prostitution. Das Milliardengeschäft mit Zwangsprostitution in Deutschland blüht im Verborgenen. Schätzungen des Bundeskriminalamts zufolge werden jährlich etwa 1.500 Fälle registriert, die Dunkelziffer liegt vermutlich zehnmal höher.
«Sie haben mir alles genommen – meinen Pass, meine Würde, meine Freiheit», erzählt Maria mit zitternder Stimme. Die 24-jährige Rumänin kam mit dem Versprechen auf einen Job als Kellnerin nach Deutschland. Ihre Geschichte wiederholt sich tausendfach. Letzten Monat traf ich Svetlana in einem Schutzhaus für Betroffene. «Die meisten Frauen werden durch die Loverboy-Methode gefangen», erklärt Sandra Norak, ehemalige Betroffene und heute Aktivistin gegen Menschenhandel. «Erst Liebe vortäuschen, dann in die Prostitution zwingen.»
Was mich bei meinen Recherchen besonders erschüttert: Die Täterstrukturen sind komplex und international vernetzt. Während meiner Arbeit an dieser Geschichte erhielt ich Einblicke in ein System, das von Einschüchterung und psychischer Manipulation lebt. Freier erkennen die Zwangslage oft nicht – oder wollen sie nicht erkennen.
Der Weg aus der Zwangsprostitution ist steinig. Beratungsstellen wie Solwodi bieten Hilfe an, doch viele Frauen scheuen den Schritt. Die Angst vor Vergeltung sitzt tief. Wenn wir diese Frauen wirklich sehen wollen, müssen wir hinter die Fassade blicken. Ihre Geschichten verdienen unsere Aufmerksamkeit – und unser Handeln.
Name von der Redaktion geändert