Der Wind jagt die Wolken über unsere Köpfe, als ich heute morgen den Deich entlanglaufe. Es ist, als hätte der Herbst über Nacht sein wahres Gesicht gezeigt. Der erste heftige Herbststurm des Jahres fegt seit gestern über Norddeutschland hinweg und verändert die sonst so beschauliche Küstenlandschaft in ein dramatisches Naturschauspiel.
Die Nordseeküste wird besonders hart getroffen. In Cuxhaven erreichen die Böen Geschwindigkeiten von bis zu 100 km/h, während in exponierten Lagen auf den Inseln sogar 110 km/h gemessen wurden. Der Deutsche Wetterdienst hat für die gesamte Küstenregion die Warnstufe Rot ausgerufen. Zahlreiche Fährverbindungen zu den Inseln mussten eingestellt werden. Die Sturmflutwarnung gilt noch bis morgen Mittag.
«Wir erleben hier ein typisches Herbstphänomen, aber in außergewöhnlicher Intensität», erklärt Meteorologe Klaus Bergmann vom Deutschen Wetterdienst. «Die Temperaturdifferenzen zwischen Nord- und Südeuropa begünstigen derzeit besonders kräftige Tiefdruckgebiete.»
Gestern Abend beobachtete ich, wie die Wellen bereits meterhoch gegen die Schutzwälle brandeten. Eine ältere Dame neben mir meinte nur trocken: «Der ist aber früh dran dieses Jahr.» Die Fischer haben ihre Boote längst in Sicherheit gebracht, die Strandkörbe wurden eilig abgebaut.
Trotz aller Dramatik: Die Küstenbewohner nehmen es gelassen. Sie sind Stürme gewohnt. Dennoch zeigt sich in diesem frühen und heftigen Herbststurm ein Muster, das Klimaforscher seit Jahren beobachten. Die Wetterextreme nehmen zu. Was bleibt, ist die Gewissheit: Die Natur behält immer das letzte Wort. Und manchmal spricht sie eben sehr deutlich.