Die Straßen Deutschlands fühlen sich dieses Jahr anders an. Nicht nur statistisch, sondern spürbar. Bei meinem Spaziergang durch Berlin letzte Woche bemerkte ich wieder die frischen Plakate gegen Rechtsextremismus. Im ersten Quartal 2024 verzeichnete das Bundeskriminalamt bereits 5.674 politisch rechts motivierte Straftaten – ein beunruhigender Anstieg um 23,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt warnte kürzlich eindringlich: «Wir erleben eine Zunahme von extremistischen Taten, die unsere Demokratie gefährden.» Seine Worte trafen mich besonders, da ich gerade von der Gedenkveranstaltung für die Opfer des NSU kam. Die Zahlen geben ihm recht – besonders der sprunghafte Anstieg antisemitischer Delikte nach dem 7. Oktober 2023 alarmiert Behörden.
Bei meinen Gesprächen mit Anwohnern in Köln-Mülheim vergangene Woche spürte ich die Verunsicherung. «Wir haben Angst, dass sich rechtes Gedankengut weiter ausbreitet», erklärte mir Sozialarbeiterin Fatma K. aus einem Jugendzentrum. Experten sehen einen Zusammenhang mit der allgemeinen Polarisierung der Gesellschaft. Die Mobilisierung zu den «Demos für Demokratie» zeigt aber auch: Viele Menschen wollen nicht schweigen.
Eine funktionierende Zivilgesellschaft bleibt unser wichtigstes Bollwerk. Ich denke an die Worte meines Großvaters, der die NS-Zeit erlebte: «Wehret den Anfängen.» Nach 79 Jahren sind diese Worte erschreckend aktuell. Der Kampf gegen rechtsextreme Gewalt ist kein abstrakter Behördenjob. Er findet auf unseren Straßen statt, in Gesprächen am Küchentisch und in unseren täglichen Entscheidungen.