Der Herkulessaal verwandelte sich gestern Abend in einen Ort des musikalischen Widerstands. András Schiff, eine Legende am Klavier, ließ seine Finger über die Tasten gleiten. Doch diesmal war sein Auftritt mehr als nur ein Konzert. Es wurde zum stillen Protest gegen unsere lärmende Gegenwart.
Mit jedem Ton von Bach und Haydn schuf Schiff einen Raum der Besinnung. Seine Interpretation der Goldberg-Variationen strahlte eine innere Ruhe aus, die im Publikum förmlich spürbar war. «Musik ist ein Akt des Widerstands gegen die Oberflächlichkeit unserer Zeit», erklärte der 70-jährige Pianist im Gespräch nach dem Konzert. Zwischen den Stücken herrschte eine Stille, die fast greifbar schien. Kein Husten, kein Rascheln – nur gemeinsames Atemholen.
Ich beobachtete eine ältere Dame in Reihe fünf. Tränen liefen über ihre Wangen, während Schiff Beethovens Sonate Op. 109 spielte. Vielleicht teilte sie mein Gefühl: In dieser Musik liegt eine Wahrheit, die wir im Alltag oft vergessen.
Der Münchner Auftritt von Schiff erinnert uns daran, was wir verlieren, wenn wir der ständigen Reizüberflutung nachgeben. In einer Welt, die immer lauter schreit, kann die größte Kraft manchmal in der Stille liegen. Oder wie Schiff es ausdrückt: «Im Piano liegt oft mehr Intensität als im Fortissimo.«