Die Morgensonne fällt durch mein Bürofenster, während ich über den jüngsten Vorschlag des DIW-Präsidenten Marcel Fratzscher nachdenke. Seine Idee? Ein verpflichtendes soziales Jahr für Rentnerinnen und Rentner. Was auf den ersten Blick provokant klingt, regt zum Nachdenken an über unsere alternde Gesellschaft und die Frage nach generationenübergreifender Verantwortung.
«Die Gesellschaft sollte von der Erfahrung und dem Wissen älterer Menschen profitieren können», betont Fratzscher gegenüber dem Deutschlandfunk. Sein Konzept sieht vor, dass Menschen nach Renteneintritt etwa 15 Stunden wöchentlich gemeinnützige Arbeit leisten. Freiwillig, aber mit steuerlichen Anreizen. Ein vollständiger Zwang stehe nicht im Raum.
Gestern erst beobachtete ich meinen Nachbarn Herrn Weber, 72, der Kindern im Viertel Fahrradreparaturen beibringt. Seine Augen leuchten dabei. «Ich bleibe gebraucht und lerne täglich Neues», erzählte er mir lächelnd.
Der demografische Wandel stellt uns vor Herausforderungen. Bis 2035 werden etwa 20 Millionen Deutsche im Rentenalter sein. Gleichzeitig fehlen uns Pflegekräfte, Erzieher und Handwerker. Die Idee eines sozialen Beitrags könnte beide Probleme adressieren.
Dieses Konzept berührt fundamentale Fragen unseres Gesellschaftsvertrags. Was schulden wir einander? Wieviel Freiheit, wieviel Pflicht verträgt das Alter? Während ich diese Zeilen schreibe, spüre ich: Es geht nicht um Zwangsarbeit, sondern um einen neuen Blick auf den Lebensabend – als Zeit des Gebens und Nehmens, des Lernens und Lehrens.