Der Himmel zeigt sich heute gnadenlos. Während im Tessin erste Aufräumarbeiten laufen, warnen Meteorologen vor neuen Regenfällen. Die Bilder vom Wochenende verfolgen mich: Häuser, die wie Spielzeug fortgespült wurden. Straßen, verwandelt in reißende Flüsse. Das Tessin steht vor einer doppelten Herausforderung: Aufräumen und gleichzeitig für neue Unwetter wappnen.
«Die Lage bleibt äußerst angespannt», erklärt Marco Gaia vom Schweizer Wetterdienst MeteoSchweiz. «Wir erwarten in den kommenden 24 Stunden weitere 70 bis 100 Millimeter Niederschlag.» Diese Prognose lässt die Helfer vor Ort kaum durchatmen. Gestern stand ich selbst in Airolo, wo die Gotthard-Autobahn noch immer unterbrochen ist. Ein Feuerwehrmann zeigte mir erschöpft seine durchnässten Stiefel: «Wir schlafen seit Samstag kaum.» Die Tessiner Behörden haben bereits Evakuierungen angeordnet, besonders in Gebieten mit instabilen Hängen.
In den Dörfern zeigt sich aber auch Solidarität. Jugendliche schaufeln Schlamm, Nachbarn teilen Mahlzeiten. Als ich gestern meinen Kaffee in einer provisorischen Versorgungsstation trank, erzählte mir eine ältere Dame: «1978 hatten wir ähnliche Überschwemmungen. Aber diesmal ist es anders – intensiver, unberechenbarer.» Klimaforscher bestätigen: Die Niederschlagsmuster verändern sich. Was früher Jahrhundertereignisse waren, droht zur neuen Normalität zu werden. Die Schweiz muss umdenken – bei Bebauung, Hochwasserschutz und Klimapolitik.