Die Goethe-Universität Frankfurt steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Ein Reformentwurf der Universitätsleitung sorgt derzeit für erhebliche Unruhe unter Studierenden, Lehrenden und Mitarbeitenden. Was als Modernisierungsversuch gedacht war, hat sich zu einer hitzigen Debatte über die Zukunft der Hochschule entwickelt.
Seit Wochen versammeln sich Studierende vor dem Hauptgebäude der Universität. Mit Transparenten und Sprechchören machen sie ihrem Unmut Luft. «Bildung ist keine Ware» und «Demokratie verteidigen» steht auf ihren Plakaten. Die Protestierenden befürchten eine zunehmende Ökonomisierung der Bildung und den Abbau demokratischer Mitbestimmungsrechte.
Der umstrittene Reformentwurf sieht eine grundlegende Neustrukturierung der Universität vor. Zentrale Elemente sind die Straffung von Entscheidungsprozessen, die Reduzierung von Gremien und eine stärkere Ausrichtung an wirtschaftlichen Kriterien. Universitätspräsident Prof. Dr. Engler verteidigt die Pläne: «Die Universität muss wettbewerbsfähiger und effizienter werden, um den Herausforderungen der Zukunft gewachsen zu sein.«
Die Kritiker sehen das anders. «Diese Reform untergräbt den Kern dessen, was eine Universität ausmacht: kritisches Denken und demokratische Teilhabe,» erklärt Dr. Martina Weber, Sprecherin einer Gruppe kritischer Professorinnen und Professoren. Sie bemängelt besonders die geplante Machtkonzentration bei der Universitätsleitung und die vorgesehene Schwächung der Fachbereiche.
Die Sorge um die akademische Freiheit steht im Mittelpunkt der Debatte. Studierende befürchten, dass künftig vermehrt nach wirtschaftlichen statt nach wissenschaftlichen Kriterien entschieden wird, welche Studiengänge angeboten werden. «Wir wollen keine Universität, die nur marktgängige Abschlüsse produziert und kritische Fächer abschafft,» sagt Leonie Kramer vom studentischen Protestkomitee.
Die Auseinandersetzung in Frankfurt ist kein Einzelfall. Bundesweit stehen Hochschulen unter Druck, sich stärker an wirtschaftlichen Maßstäben zu orientieren. Die chronische Unterfinanzierung vieler Universitäten verschärft diese Tendenz. In Hessen wurden die Grundmittel für Hochschulen in den vergangenen Jahren nicht im erforderlichen Maße erhöht, was den Reformdruck zusätzlich verstärkt.
Der Frankfurter Senat, das höchste Gremium der Universität, hat bereits erste Bedenken geäußert. In einer außerordentlichen Sitzung wurden mehrere kritische Stellungnahmen verabschiedet. «Der Dialog mit allen Universitätsangehörigen muss intensiviert werden,» fordert Senatsmitglied Prof. Dr. Klara Hoffmann. Sie plädiert für einen Reformprozess, der die verschiedenen Interessen besser berücksichtigt.
Auch aus der Stadtgesellschaft kommt Unterstützung für die Protestierenden. «Die Goethe-Universität ist ein wichtiger Teil Frankfurts und sollte ihrem kritischen und humanistischen Erbe treu bleiben,» betont Kulturstadträtin Dr. Petra Schulz. Sie erinnert an die Tradition der Universität als Bürgeruniversität, die von Frankfurter Bürgern gegründet wurde.
Die Proteste haben inzwischen auch die Landespolitik erreicht. Die Opposition im hessischen Landtag fordert Wissenschaftsminister Dr. Thomas Wagner auf, vermittelnd einzugreifen. «Eine Reform darf nicht gegen den Willen der Universitätsangehörigen durchgesetzt werden,» erklärt die hochschulpolitische Sprecherin der Grünen, Fatima Ahmed.
Die Universitätsleitung hat angesichts der massiven Kritik erste Gesprächsbereitschaft signalisiert. Für nächste Woche ist ein «Runder Tisch» mit Vertretern aller Statusgruppen geplant. Universitätspräsident Engler betont: «Wir nehmen die Sorgen ernst und sind offen für konstruktive Vorschläge. Allerdings kommen wir um grundlegende Reformen nicht herum.«
Die Studierenden bleiben skeptisch. Sie haben für die kommenden Wochen weitere Protestaktionen angekündigt, darunter eine universitätsweite Vollversammlung und eine Demonstration durch die Frankfurter Innenstadt. «Wir werden nicht nachlassen, bis unsere Stimmen wirklich gehört werden,» kündigt Studentenvertreter Julian Becker an.
Der Konflikt an der Goethe-Universität steht symbolisch für eine grundsätzliche Debatte über die Zukunft der Hochschulbildung. Geht es um Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit oder um Bildung als gesellschaftlichen Wert jenseits ökonomischer Interessen? Die Antwort auf diese Frage wird nicht nur die Zukunft der Frankfurter Universität, sondern die Hochschullandschaft in ganz Deutschland prägen.
Für die Studierenden steht viel auf dem Spiel. «Wir kämpfen nicht nur für unsere eigene Universitätserfahrung, sondern für das Ideal der Universität als Ort des freien Denkens und der gesellschaftlichen Verantwortung,» erklärt Protestteilnehmerin Sophia Müller. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob Dialog und Kompromiss möglich sind oder ob sich die Fronten weiter verhärten.