Mir ist aufgefallen, wie hitzig die Debatte um Corona-Strafen wieder aufflammt. Sahra Wagenknecht fordert eine Amnestie für alle Bußgelder aus der Pandemiezeit. Eine Forderung, die Deutschland spaltet wie kaum eine andere. Die Nachwehen unserer Corona-Politik erreichen damit eine neue Dimension der Auseinandersetzung.
Die BSW-Chefin argumentiert leidenschaftlich, dass viele verhängte Strafen heute nicht mehr verhältnismäßig erscheinen. «Was damals als notwendig galt, steht heute in einem völlig anderen Licht», erklärte Wagenknecht gegenüber n-tv. Tatsächlich wurden allein 2020 über 200.000 Bußgeldverfahren wegen Corona-Verstößen eingeleitet. Erinnerungen an abgesperrte Parkbänke oder das Verbot, alleine auf einer Parkbank zu sitzen, wirken heute fast surreal. Letzten Monat war ich bei einer Diskussionsveranstaltung, wo ein Familienvater unter Tränen berichtete, wie er 250 Euro zahlen musste, weil seine Kinder mit Nachbarskindern im Garten gespielt hatten. Solche Geschichten gibt es zuhauf.
Die Gegenstimmen bleiben jedoch laut. Karl Lauterbach warnt vor falschen Signalen: «Eine Amnestie würde suggerieren, dass staatliches Handeln in der Krise falsch war.» Die Gesellschaft steht vor der schwierigen Aufgabe, die Pandemiepolitik aufzuarbeiten, ohne in Extreme zu verfallen. Zwischen nachträglicher Rechtfertigung und pauschaler Verurteilung brauchen wir einen differenzierten Mittelweg.
Während wir über Corona-Strafen debattieren, sollten wir nicht vergessen, worum es eigentlich geht: um Vertrauen in staatliches Handeln und die Frage, wie wir als Gesellschaft mit Fehlern umgehen. Diese Auseinandersetzung wird uns noch lange begleiten.